Hey guten Morgen, wie geht es dir? – Martina HefterVerlag: Klett-Cotta Verlag | Seiten: 224 Erscheinungsjahr: 2024 |
Kurzbeschreibung
Junos Alltag besteht darin, sich um ihren kranken Ehemann Jupiter zu kümmern. Wenn sie ihn gerade nicht pflegt oder Rezepte für ihn abholt, steht sie als Künstlerin auf der Bühne, tanzt und spielt Theater. Abstand und Ablenkung findet sie außerdem in den Nachrichten von Love Scammern, die Juno das Blaue vom Himmel versprechen. Doch anders als viele andere Frauen fällt sie nicht auf die Betrüger herein. Sie schlägt sie mit ihren eigenen Waffen. In den Chats gibt sie vor, jemand anderes zu sein und gewinnt so ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit zurück, die ihr in ihrem engen Leben versagt bleiben.
Meine Meinung
Mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue und dem Gedanken „Okay, und was jetzt?“ im Kopf beendete ich diesen doch sehr eigentümlichen Roman. Und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich ihn letztendlich verstanden habe.
Der Roman erinnert mich an eine Performance, an einen Ausdruckstanz, an ein abstraktes Kunstwerk, das abstrahiert und irgendwo im Äther herumschwebt. „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist Geschmackssache und der Roman ist mit Höchstgeschwindigkeit an mir vorbeigezogen. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass die Autorin mit diesem Roman den Deutschen Buchpreis 2024 gewonnen hat.
Es ist ein künstlerisch-künstlicher Roman: Die Autorin behandelt originelle Themen auf einem expressionistisch-exzentrischen, aber doch sehr alltäglichen Hintergrund. Es ist Prosa, die eigentlich mehr sein will. Ein einfacher Satzbau und Sprachgebrauch reihen sich an Satzworte und aphoristisch-anmutende Weisheiten. Es ist das Protokoll eines Alltags, der in seiner Langeweile, in seinem Trott schon fast absurd erscheint.
Aufgrund der fehlenden typographischen Abhebung (z. B. bei Dialogen), der zeitlichen Sprünge (bei denen es nicht ganz ersichtlich ist, wie viel Zeit denn vergeht oder vergangen ist), der hypothetisch-zukünftigen Ereignisse, den Gedankenspielen und den Chats fühlte ich mich beim Lesen wie ein Satellit, der durchs All schwirrt, vom Kurs abgekommen ist, verwundert diese Menschen unter mir beobachtet und sich einfach nur verloren fühlt.
Dabei beeindruckt der Roman mit einer Fülle von Themen, die für die heutige Gesellschaft relevanter nicht sein könnten. Es geht um Social Media, das weibliche Altern, Leben mit Behinderung, anstrengende Care Arbeit, prekäres Künstler*innenleben, Rassismus und Kolonialismus. Diese Themen sind auf interessante Weise miteinander verflochten, nein, sie fließen eher nebeneinander her: Es ist von allem zu viel und von jedem zu wenig. Die Verflechtungen ergeben Knoten, also Konflikte, die einfach existieren und niemand versucht die Konfliktknoten zu lösen und alles verläuft ins Nichts.
Es gibt einige Motive, die sich im Roman immer wieder wiederholen und diese zu entdecken, hat mir ungemein viel Spaß gemacht. Es gibt Bezüge zu verschiedenen Mythologien oder zur Astronomie — man achte auf die Namen der Figuren. Manchmal hatte ich das Gefühl, die Hauptfigur sucht das Universum in sich selbst, findet aber nur einen staubigen Alltag. Kann man den Roman als kosmische Sinnsuche verstehen? Wie genau ich das überhaupt meine? Weiß ich selbst nicht.
Alleinstellungsmerkmal dieses Romans ist das sogenannte Love Scamming — Heiratsschwindel nur in modern — auf das sich die Protagonistin einlässt; aber anders als man denkt! Juno lernt Benu kennen, einen jungen Mann aus Nigeria, den sie belügt, um sich dadurch selbst frei zu fühlen. Und ihr Ehemann? Sitzt oder liegt die ganze Zeit in einem anderen Raum. Im Rahmen ihrer Gespräche mit Benu setzt sich die Protagonistin auch mit den Themen Rassismus und Kolonialismus auseinander. Aber auch diese Auseinandersetzung führt ins Nichts. Das Kennenlernen gibt der Protagonistin die Möglichkeit, sich mit ihren Privilegien auseinanderzusetzen, aber insgesamt bleibt sie dabei auf einer performativen Ebene hängen. Juno stellt z. B. fest, dass die Namen der Sternbilder im nachtnächtlichen Himmel westlich geprägt sind und sie fragt sich, was Benu wohl davon hält. Aber sie geht mit ihm nicht in einen Dialog. Sie stellt es fest und damit hat es sich. Der Roman will vieles, schafft aber nur die Hälfte.
Der Satz „Und damit hat es sich“ beschreibt den Roman sowieso ganz gut. Was das so genau bedeutet, weiß ich selbst nicht. Ganz allgemein bleibt in diesem Roman vieles unklar: die Beziehung zwischen Juno und Jupiter; die unnahbare Protagonistin und was überhaupt der springende Punkt von dem Ganzen sein soll. Am Ende gibt es keine Resolution, alles läuft irgendwie aus. Und ja, vielleicht sollte ich den Roman nicht allzu sehr hinterfragen. Und gleichzeitig frage ich mich und rufe aus: „Was für ein Theater?!“
Mein Fazit
Der Roman ist in meinen Augen ein interessant-seltsames, exzentrisch-performatives Kunstgebilde, das von einer Realität erzählt, die mir einerseits sehr abgehoben, aber andererseits erschreckend trocken und alltäglich erscheint. Wie ich diesen Roman bewerte? Ich weiß es nicht. Es gibt so vieles, was ich im Hinblick auf diesen Roman nicht weiß oder nicht verstehe. Manchmal fühlt man sich nicht angesprochen, manchmal gehört man nicht zur intendierten Zielgruppe. Und irgendwie tut mir das auch leid, aber manchmal ist das einfach so.
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