[Rezension] The Bastard of Istanbul

The Bastard of Istanbul – Elif Shafak

Verlag: Penguin | Seiten: 357
Erschienen: 2007

Kurzbeschreibung
Asya Kasancı lebt in Istanbul, sie wächst in einem Haushalt auf, der nur aus Frauen besteht: ihrer Ur-Großmutter, ihrer Großmutter, ihren drei Tanten und ihrer Mutter. Die Männer der Familie Kasancı sind mit einem Fluch belegt: sie sterben zu früh und unter unerklärlichen Umständen. Der einzige Mann der Familie lebt in Arizona, mit seiner amerikanischen Frau und der amerikanisch-armenischen Stieftochter. Als diese zu Besuch nach Istanbul kommt, bringt sie ordentlich Wirbel in das Leben der Frauen. Auf der Suche nach ihrer eigenen Identität und den Wurzeln ihrer armenischen Familie, stellt sie sich der türkischen Sicht zum Völkermord an den Armenien und sorgt dafür, dass es hinter der Fassade der Familie Kasancı zu brodeln beginnt und die wohlbehüteten Familiengeheimnisse wieder an die Oberfläche kommen. Dabei ahnt sie nicht wie nah sie ihrem Ziel gekommen ist. Eine Geschichte über Familien- und Blutsbande und die Suche nach der eigenen Identität, führt den Leser in einen dunklen Abschnitt der türkischen Geschichte und hinein in ein modernes Istanbul.

Meine Meinung
Zu Beginn der Lektüre war ich etwas skeptisch: ich wusste nicht was ich von dem Buch halten sollte. Jetzt kann ich sagen, es ist keine leichte Kost, auch wenn es zunächst danach aussehen mag. Nichtsdestotrotz hat mir die Geschichte sehr gut gefallen und ich denke wirklich, dass es ein Glücksgriff war, dass ich vor ein paar Wochen mich für genau dieses Buch entschieden habe und kein anderes. Zunächst dachte ich es würde auf eine philosophisch-ethische Diskussion über die Frage nach dem Sein, über die Schuldfrage aus der Perspektive zweier Völker, über die Selbstbestimmung und Rolle der Frau und noch anderen sozialkritischen Themen hinauslaufen. Das tut es auch, aber in einem ganz unerwarteten Rahmen. Verpackt und erzählt mit einer gewissen Leichtigkeit, mit sehr viel Gefühl und ein wenig Humor macht sich Shafak diese Themen zunutze und erschafft eine aufwühlende, wunderbare Geschichte, die zeigt welche Auswirkungen ein Ereignis, das sich vor 100 Jahren ereignet hat, noch heute auf das Schicksal haben kann: „The past is anything but bygone“ (S. 356). Dieses aussagekräftige Zitat fasst das Buch, meiner Meinung nach, perfekt zusammen.

Die Figuren sind bunt, verrückt und sehr lebendig beschrieben. Je mehr Figuren man begegnet und je mehr man über sie erfährt, desto weiter gelangt man hinter die strahlende Fassade einer Familie, die eigentlich gar nicht so bunt und schillernd ist, sondern undurchsichtig, geheimnisumwittert und hinter der sich mehr als nur ein tragisches Schicksal versteckt. Die Autorin hat es geschafft, dass die einzelnen Figuren vor meinem inneren Auge lebendig geworden sind. Vor allem die vielen verschiedenen Frauenfiguren und -bilder, die sie mit ganz viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt hat, sind großartig. Sie sind alle auf ihre eigene Art starke Persönlichkeiten, mit Schwächen und vielen Gefühlen, die sie umso authentischer wirken lassen. Ich denke in jeder einzelnen von ihnen findet man einen kleinen Teil seiner selbst. Die Lektüre hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, weil mir immer mal wieder einzelne Orte und Speisen über den Weg gelaufen sind, die ich während meines Istanbul-Aufenthaltes besucht und gegessen habe.

Zu sagen, dass ich dieses Ende nicht erwartet habe, stimmt nicht ganz. Während der Lektüre hatte ich den zunehmenden Verdacht schon zu wissen, was hinter den Familiengeheimnissen steckt. Aber die Art und Weise wie Shafak die Figuren die Geheimnisse aufdecken lässt und wie damit umgegangen wird, hat mir oft eine Gänsehaut beschert.

„The Bastard of Istanbul“ ist ein komplexes, geniales, symbolträchtiges Buch, in dem alles zusammenpasst. Angefangen mit den Kapitelüberschriften, über die Speisen, zum Umgang mit den vielen sozialkritischen Themen, dem Aufbau der Geschichte und dem Auftreten der Figuren. Man könnte fast meinen, dass „The Bastard of Istanbul“ eine Speise ist, die mit all den richtigen Zutaten von einem genialen Koch zubereitet worden ist.

Mein Fazit
Empfehlung? Ein ganz klares Ja! Es ist absolut lesenswert. Mit nur einem Buch hat mich Elif Shafak von sich überzeugen können und hat sich in die Reihen meiner „Lieblingsautoren“ geschlichen. Ich freue mich schon auf „The Forty Rules of Love“.

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