A Song Of Legends Lost – M. H. AyindeVerlag: Little, Brown Book Group | Seiten: 573 Erscheinungsjahr: 2025 |
Kurzbeschreibung
Im Königreich der Nine Lands ist es nur adeligen Krieger*innen erlaubt, ihre Vorfahren für den Kampf anzurufen und Seite an Seite mit ihnen zu kämpfen. Temi, eine junge Frau aus den Slums der City of Nine Lords, ist sich dieses Gesetzes sehr wohl bewusst, doch beschwört sie dennoch einen mächtigen Geist. Und so werden im Schatten einer Rebellion, uralte Gewissheiten herausgefordert, und neue Gefahren und Feinde mischen sich unter die nichtsahnende Bevölkerung der Nine Lands.
Meine Meinung
Diesen Roman habe ich in einem Video-Essay der BookTuberin Willow Talks entdeckt. Ihre Aussage, dass dieser Roman der nächste große, gefeierte, epische Fantasy-Roman sein könnte, hat mich neugierig gemacht. Tja, und was soll ich sagen? Der Roman ist genial! Mir hat alles daran gefallen: der Plot, das Setting, die Figuren, das World Building, der Stil, die Dialoge – einfach alles! „A Song Of Legends Lost“ setzt die Messlatte für nachfolgende Fantasy-Reads sehr weit oben an.
Der Einstige in die Geschichte gestaltete sich, wie es bei umfangreichen Fantasy-Romanen nun mal so ist, recht zeitaufwendig. Es dauerte eine Weile bis ich mich zwischen all den Informationen und Eindrücken, die auf jeder Seite auf mich warteten, zurecht finden konnte. Manches habe ich bis zum Schluss nicht so ganz durchdringen können, weshalb ich mich schon sehr auf den zweiten Teil freue.
Steckenpferd dieses Romans ist die Verflechtung der vielfältigen afrikanischen Kulturen und Mythologien mit Fantasy- und Sci-Fi-Elementen. Die Mischung ist spannend und vielversprechend, auch wenn ich viele Wissenslücken mitbringe, wenn es um die verschiedenen kulturellen und mythologischen Aspekte der afrikanischen Länder geht, die in diesem Roman eine Rolle spielen. Ich musste immer mal wieder die Lektüre unterbrechen und bestimmte Kleidungsstücke oder Waffen googeln. Denn das typische westeuropäische Breitschwert sucht man zwischen den Seiten vergebens (endlich mal ein bissche Abwechslung!)
Die Fantasy- und Sci-Fi-Elemente wie das Beschwören, das Techwork (technologische Überbleibsel einer mysteriösen, untergegangenen Zivilisation) geben dem Roman einen originellen und neurigmachenden Twist. Fantasy und Sci-Fi halten sich die Waage und ich hoffe sehr, dass die Folgebände nicht zu sci-fi-lastig werden. Die Greybloods, Wesen, die auf das Techwork angewiesen sind, haben mich zum Ende hin total für sich eingenommen, obwohl sie in vielerlei Hinsicht als „die Bösen“ dargestellt werden. Es gibt immer zwei Seiten der Geschichte! Und hier findet man einen entscheidenden realitätsbezug: Der Roman untersucht die Frage der Herkunft, Kolonialismus spielt eine wichtige Rolle sowie die Konsequenzen von Geschichtsvergessenheit. Aber das ist nur ein kleiner Teil der sozialgesellschaftlichen Themen, die dieser Roman behandelt.
Die Figuren sind zahlreich und divers. Und damit meine ich nicht, dass es Menschen, Geister und Greybloods gibt – nein! Die Diversität betrifft alle möglichen Aspekte: Klasse, Gender, race, sexuelle Orientierung etc. Die Figuren geben so den Blick auf ein komplexes und zerrüttetes Gesellschaftsbild frei. Sie sind korrupt, mutig, hilflos, einsam, hinterhältig, verloren, weise oder großmütig. Queere Beziehungsformen oder Neo-Pronomen finden genauso statt wie Heterosexualität und traditionelle Beziehungen (wobei diese ein wenig zurückstehen, was ich sehr erfrischend fand). Es gibt keinen Romantik-Subplot: Sex, Liebe und alles dazwischen findet zwar statt und ist einfach da. Es steht aber nicht im Fokus der Handlung.
„A Song of Legends Lost” ist ein komplexes multi POV-Gebilde. Die Perspektiven ließen sich klar und deutlich voneinander unterscheiden, beleuchten unterschiedliche Aspekte der Welt und Handlung, und fügten sich als teilweise gemeine Cliffhanger in den Fluss der Handlung ein. Selbstverständlich habe ich Lieblingsfiguren und das nicht nur, weil ich sie sympathisch finde, sondern auch weil ihre Motive und Persönlichkeit einfach so facettenreich und einnehmend gestaltet wurden – ja, ich finde auch ein zwei höchst fragwürdige Figuren sehr faszinierend. Da werden menschliche Abgründe aufgemacht oder unerwartete Allianzen geschmiedet. Und das alles ist in eine düstere, dekadent-glanzvolle Atmosphäre getaucht. Das gilt für den korrupten Mönch genauso wie für Temi, der Heldin widerwillen. Jinao konnte ich bspw absolut nicht leiden, aber sein Plot und seine Figurenentwicklung haben mich richtig mitgerissen.
Handlungsstränge, Wendepunkte und Überraschungen gibt es zuhauf. Das World Building ist gekonnt mit der Handlung verflochten; auf Infodumps wird verzichtet. Die Handlung war für mich nicht vorhersehbar: Denn bevor der Blick zu lange an einer Stelle verweilen konnte, wurde er auf Neues, Spannendes gelenkt. Dabei habe ich mich zu keinem Zeitpunkt überfordert gefühlt. Es kommt stets anders als man denkt! Bei vielen Dingen schließt sich am Ende ein Kreis und gleichzeitig werden neue aufgemacht. Die Epiloge haben richtig Lust auf den zweiten Band gemacht. Sie geben kurze Einblicke in neue Perspektiven und in bisher unbekannte Teil der Welt.
Auf diesen Roman muss man sich einlassen, man muss Geduld haben und mitdenken. Die Autorin nimmt sich Zeit, die Geschichte zu erzählen und dem sollte man mit eben so viel Bereitschaft begegnen. Der Roman hat nichts Formelhaftes, keine elendigen Tropes, an denen man umständlich entlangkraxeln muss. Darin liegt eine große Stärke des Romans.
Mein Fazit
Was für ein Abenteuer! Was für eine originelle, facettenreiche und spannende Fantasy-Sci-Fi-Mischung. Die Lektüre hat mich absolut begeistert! Ich lege den Roman allen Fantasy-Fans ans Herz, die einen gewissen Anspruch an World Building und Plot erheben. Absolute Leseempfehlung!