La biblioteca dei fisici scomparsi – Barbara Bellomo
Verlag: Garzanti | Seiten: 256 Erscheinungsjahr: 2024 |
Kurzbeschreibung
Die Arbeit in der Bibliothek des Physikinstituts in der Via Panisperna erfüllt Ida jeden Tag mit Freude und gibt ihrem Leben außerhalb ihres strengen Elternhauses und den Konventionen der Gesellschaft der 1930er Jahre einen Sinn. Sie ist umgeben von Büchern und von den hellsten Köpfen der Physik: die Jungen der Via Panisperna, eine Arbeitsgruppe junger Wissenschaftler unter der Leitung von Enrico Fermi. Doch die Welt steht auf der Schwelle eines weiteren Krieges, die jungen Wissenschaftler verteilen sich in alle Himmelsrichtungen, fliehen vor den Krallen des faschistischen Regimes oder verschwinden auf mysteriöse Weise. Die Jahre vergehen und Ida, inzwischen verheiratet, sehnt sich nach dieser vergangenen, glücklichen Zeit. Gefangen in ihrem Leben, macht sie sich auf die Suche nach der Vergangenheit, nach dem verschwundenen Ettore Majorana und ihrer verlorenen Liebe, Alberto.
Meine Meinung
Dieser Roman verspricht Romantik und Rätsel, liefert beides aber nur halbherzig. Wenn man sich einfach nur berieseln lassen möchte und das Gelesene nicht weiter hinterfragt, dann kann die Geschichte funktionieren. Andernfalls wird die Geschichte löchrig wie ein Schweizer Käse.
Die Ereignisse rund um Idas Selbstfindung und der Suche nach ihren ehemaligen Kollegen finden auf zwei Zeitebenen statt: Es sind die 1950er Jahre und wir lernen Ida kennen, wie sie sich mit den Scherben ihrer Ehe auseinandersetzt. Es ist diese gescheiterte Ehe, die sie dazu antreibt, den Spuren der Vergangenheit nachzugehen. Und über Flashbacks folgen wir der sehr viel jüngeren Ida ins Rom der 1930er Jahre, wo sie ihre Stelle als Bibliothekarin antritt, Ettore Majorana kennenlernt, bahnbrechende Entdeckungen im Bereich der Physik miterlebt und sich verliebt.
Was mir an dem Roman sehr gut gefallen hat, war das Setting der Vergangenheits-Ida: Dieser Teil spielt in Rom, genauer am Physikinstitut der römischen Universität La Sapienza. Wir lernen die jungen Wissenschaftler, die Jungen der Via Panisperna (https://en.wikipedia.org/wiki/Via_Panisperna_boys) kennen, die unter der Leitung von Enrico Fermi langsame Neutronen entdecken und an der Kernspaltung arbeiten. Viele der Nebenfiguren, die man in diesem Handlungsstrang kennenlernt, hat es wirklich gegeben, wie Enrico Fermi oder Ettore Majorana, der im Frühjahr 1938 tatsächlich spurlos verschwand (https://de.wikipedia.org/wiki/Ettore_Majorana). Die Autorin vermischt historische Fakten mit fiktionalen Ideen und erschafft daraus ein sehr ansprechendes Setting. Zwar verschiebt sie die reale Timeline einiger historischer Ereignisse und nimmt sich so die eine oder andere künstlerische Freiheit, um die Ereignisse besser an ihren Plot anzupassen, allerdings macht sie diese Eingriffe durch Fußnoten kenntlich.
Weiterhin haben mir die feministischen Aspekte des Romans gut gefallen. Ida ist eine junge Frau, die in einem strikten Elternhaus aufwächst, in dem sich die Rolle der Frau auf das Häusliche beschränkt. Haushälterische Aufgaben gelingen ihr nur schlecht und ihr Wunsch, sich von ihrem Vater zu emanzipieren, ist stark, weshalb es ihr gelingt, eine Arbeit als Bibliothekarin aufzunehmen. Damit wendet sie sich gegen die gesellschaftlichen Erwartungen und Konventionen ihrer Zeit. Ihr Wunsch nach Freiheit setzt sich auch später fort, wenn sie sich bspw. für Frauen in Notsituationen einsetzt. Es bleibt aber bei einer sehr priviligierten Emanzipation.
Auch Idas Einmischung in die Suche nach Ettore Majorana haben mir sehr gut gefallen und ich fand sie auch recht spannend umgesetzt. Die Autorin verpasst auch hier nicht, denjenigen Anerkennung zu zollen, die, wie Leonardo Sciascia, Wichtiges zu der Suche nach diesem Physiker beigetragen haben.
Nun zu dem, was mir so gar nicht gefallen hat. Anders als der Titel erwarten lässt, geht es gar nicht so sehr um die Bibliothek oder um die Forschung, die am Physikinstitut stattfindet. Es ist nur das Setting für eine schicksalhafte Liebesgeschichte, die mich leider kalt gelassen hat. Warum? Weil in diesem Roman alles „Telling“ und kein „Showing“ ist. Wir müssen uns in keinem Augenblick fragen, wie sich die Protagonistin fühlt; es wird uns alles auf dem Silbertablett serviert. Von der großen Liebe bekommt man nichts zu spüren, es fließt einfach alles an einem vorbei und man fühlt sich nicht involviert. Man bekommt gesagt, dass es die große Liebe ist, aber es wird nicht gezeigt: Es gibt keine Schlüsselszenen, die das eigene Herz höher schlagen lassen.
Mit der Protagonistin konnte ich, um ehrlich zu sein, auch nicht allzu viel anfangen. Ich hatte natürlich in vielen Situationen Mitleid mit ihr und hätte ihr gerne mein Mitgefühl ausgesprochen, aber sie war mir auch zu austauschbar und platt. Sie will sich emanzipieren, ihr Ehemann ermöglicht ihr, eine Arbeit aufzunehmen, aber dann ist ihr zu langweilig, die Arbeit erfüllt sie nicht, vor allem, weil sie nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sie am Physikinstitut gewohnt war. Bei aller Liebe: Wie privilegiert willst du sein? Protagonistin: Ja.
Die Handlung fand ich recht vorhersehbar, vor allem, weil die Konflikte daraus entstehen, dass keine Kommunikation zwischen den Figuren stattfindet. Anstatt miteinander zu reden, wird dramatisch Reißaus genommen. Das ist mir einfach zu langweilig und faul. Das Ende war zum Haareraufen; es tut mir leid, aber das war mir alles zu unglaubwürdig. Ich konnte mich, bei allem Wohlwollen, nicht darauf einlassen.
Mein Fazit
„La biblioteca dei fisici scomparsi” von Barbara Bellomo ist eine nette Lektüre für zwischendurch, von der man sich an einem Strandtag berieseln lassen kann. Als Liebes- und Mysteryroman hat der Roman nicht so viel zu bieten.



