[Rezension] Bitch. What does it mean to be female?

Bitch. What does it mean to be female? – Lucy Cooke

Aquila

Verlag: Penguin | Seiten: 400
Erscheinungsjahr: 2023

Kurzbeschreibung

Das Weibchen im Tierreich ist passiver, kleiner, schwächer und hormonell verwirrender als das Männchen. Diese Auffassungen stammen aus dem Viktorianischen Zeitalter und gehen auf Darwins Theorien zurück. Kurz gesagt: Das Weibchen im Tierreich gleicht einer viktorianischen Hausfrau. Diese verzerrten Auffassungen und Stereotype triefen nur so von Sexismus und Misogynie. Erschreckenderweise halten sie sich bis heute. Doch es kommt Bewegung in die Forschung: Die Autorin und Oxford Zoologin Lucy Cooke zeigt, dass die Weibchen genauso aggressiv, dominant und promisk sind wie die Männchen. Um das zu verdeutlichen, zieht sie auch andere Forschende und ihre Arbeiten heran, die mit den Mythen und Stereotypen rundum das Weibchen aufräumen.


Meine Meinung

Wusstest du, dass die Gonaden (Hoden) der männlichen Lemuren nach der Paarungszeit schrumpfen „like party ballons with a slow leak“ (S. 69)?

Wusstest du, dass die männliche Spinne Nephilengys malabarensis seinen Pedipalpus (Geschlechtsorgan) abtrennen kann, um nach dem Geschlechtsverkehr nicht vom Weibchen gefressen zu werden? (S. 84)

Wusstest du, dass der Penis der Kleinlibellen den weiblichen Genitaltrakt von übriggebliebenem Sperma anderer männlicher Rivalen reinigen kann? (S. 102)

Wusstest du, dass die Vaginas einiger Weibchen in der Lage sind, Sperma zu speichern, zu bevorzugen oder auch abzulehnen? Und das durch physiologische und anatomische Gegebenheiten oder chemische Vorgänge? (S. 113)

Wusstest du, dass manche Lemurpopulationen nicht von einem König, sondern von einer Königin angeführt werden? Was würde wohl King Julien XIII aus dem Film „Madagascar“ dazu sagen? (S. 182)

Wenn du das alles noch nicht wusstest, es dich aber neugierig gemacht hat, dann solltest du „Bitch“ von Lucy Cooke unbedingt lesen. Aber aufgepasst: Das Sachbuch versammelt nicht nur Kurioses, Unerhörtes oder Lustiges zu Genitalien oder zur Reproduktion von weiblichen Tieren (wusstest du, dass weibliche Tiere nicht nur zu reproduktionszwecken Sex haben und sogar Orgasmen bekommen?), sondern es erklärt auch zahlreiche biologische Zusammenhänge zur Genetik, zur angeblichen biologischen Zweigeschlechtlichkeit und kritisiert Darwins Evolutionstheorie.

In diesem Zusammenhang fand ich eine Beobachtung sehr interessant, wenn auch nicht sonderlich überraschend. In der zoologischen Forschung, die sich im viktorianischen Zeitalter etabliert hat, wurden die Vagina und die Vulva einfach ignoriert. Sie waren nicht von Interesse, da man davon ausging, dass die Genitalien bei allen weiblichen Tieren identisch oder dass sie zumindest sehr ähnlich wären. Surprise: That’s not the case! Aber nicht nur im Tierreich wurden Vulva und Vagina vernachlässigt, sondern auch beim Menschen. Während der Penis in Biologiebüchern schon immer sehr ausführlich beschrieben wurde, wurde die Vulva jahrhundertelang entweder ignoriert oder falsch dargestellt. Im Jahr 2022 hat der Ernst Klett Verlag, unter Einsatz der Lehrerin Sina Krüger, erstmals eine anatomisch korrekte Darstellung der Vulva/Klitoris in die Lehrbücher aufgenommen. 2022! Dass es in der zoologischen Forschung nicht besser aussieht, war also zu erwarten. Die Autorin stellt in ihrem Sachbuch auch Forscher*innen vor, die sich genau dieser Ungleichheit widmen und zeigen (zB durch Silikonabdrücke), dass Vaginas und Vulvas im Tierreich unglaublich komplex und verschieden und teilweise erstaunlicher sind als Penisse.

Die Autorin findet eine gute Balance zwischen trockener Theorie und feuchtfröhlicher Praxis. Dabei schildert sie die Erkenntnisse mit einer Mischung aus Unglauben, Bewunderung, Humor, Leidenschaft und ein bisschen Wut ist auch dabei.

Folgendes möchte ich noch erwähnen bzw betonen: Es geht der Autorin nicht um Männchen-Bashing oder um Männchen-Hass. Sie stellt die männlichen Tiere nicht als minderwertig oder als verzichtbar dar. Es geht ihr nicht darum, das Männchen abzuschaffen (auch wenn die eine oder andere Spezies einen Weg gefunden hat, sich ohne Männchen zu reproduzieren). Es geht der Autorin darum, in der Forschung für Gleichheit und Repräsentation zu sorgen. Das männliche Tier stand in den vergangenen Jahrhunderten konstant im Rampenlicht. Jetzt ist das Weibchen an der Reihe, im Scheinwerferlicht zu stehen! Ein paar Seitenhiebe sollten die Männchen also vertragen…


Mein Fazit

„Bitch. What does it mean to be female?“ von Lucy Cooke bietet einige erfrischende Lehrstunden in feministischer Biologie und Zoologie. Das Sachbuch präsentiert Forschung mit einem zwinkernden Auge. So macht lebenslanges Lernen Spaß!


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner