Nerd Girl Magic – Simoné Goldschmidt-LechnerVerlag: Verbrecher Verlag | Seiten: 184 Erscheinungsjahr: 2025 |
Kurzbeschreibung
Das Nerd Girl ist eine seltene Spezies in der weißen, cis-hetero Männersphäre der Nerd-Kultur. Oder etwa doch nicht? Aus einer nicht-weißen, nicht-männlichen Perspektive zeigt Simoné Goldschmidt-Lechner, dass Nerd Girls immer schon ein Teil der Nerd-Community waren und es auch immer sein werden – dem Rassismus, dem Sexismus und der Queerfeindlichkeit zum Trotz.
Meine Meinung
Eskapismus ist mein Lieblingshobby! Ich liebe Sailor Moon (ich habe mich mal an Karneval als Sailor Jupiter verkleidet); ich zocke unglaublich gerne Pokémon (Gen 3 ist meine Lieblingsgeneration) und schaue Streams von Pokétubern; Fantasy ist eines meiner liebsten Genres und ich würde unglaublich gerne mal eine Runde Pen&Paper ausprobieren. Ich bin ein Nerd Girl! Daher habe ich mich in „Nerd Girl Magic“ von Simoné Goldschmidt-Lechner einfach nur Zuhause gefühlt (obwohl mein Lieblingsfandom Pokémon kaum eine Rolle spielt).
Ich hatte sehr großen Spaß an der Lektüre, weil ich mich einerseits gesehen gefühlt habe und andererseits, weil ich wieder viel dazugelernt habe. Ich konnte vielleicht nicht mit jedem Fandom, das die Autorin vorstellt etwas anfangen (zB K-Pop, Dark Academia, Horrorfilme), aber dafür wurde mein Horizont auf jeden Fall erweitert (Stichwörter: Afrofuturism, Africanfuturism, Africanjujuism, feminist killjoy etc).
Letztendlich geht es auch gar nicht darum, welchen Manga man in welchem Alter gelesen hat oder ob man sich eher zu Fandom A oder B zählt. Es geht viel mehr um das Gemeinschaftsgefühl und um den Blick hinter die Kulissen der Nerd-Community. Goldschmidt-Lechner beleuchtet die Ausschlussmechanismen, die versuchen, FLINTA, queere, BIPoC und neurodivergente Menschen aus den Fandoms zu drängen. Es geht um Rassismus beim Pen&Paper, um Sexismus im Gaming, um Heteronormativität und Gatekeeping.
Simoné Goldschmidt-Lechner stellt die Perspektive der Marginalisierung in den Fokus, betrachtet dabei, inwiefern Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung das Nerd-Dasein beeinflussen. Sie zeigt, wie FLINTA, queere, BIPoC und neurodivergente Menschen die Nerd-Szene bereichern, hebt den Widerstandswillen hervor und unterstreicht den Transformationsgeist, der von diesen Gruppen ausgeht. Goldschmidt-Lechner legt den Finger in die Wunde und fragt, was es für marginalisierte Personen bedeutet, Teil eines Fandoms zu sein, das sie entwertet und ausschließt (zB Harry Potter oder Herr der Ringe). Stark fand ich, dass die Autorin jedes Kapitel mit einer kurzen, mutmachenden Botschaft schließt. Das Wesentliche wird sozusagen noch mal zusammengefasst und entscheidende Punkte unterstrichen.
Simoné Goldschmidt-Lechner wählt bei diesem Essay eine persönliche Perspektive: Sie schöpft aus einem vielfältigen Erfahrungsschatz, flechtet Anekdoten aus der eigenen Kindheit in Südafrika ein, stellt das eigene Insiderwissen unter Beweis und ihre Ausführungen mit Auszügen aus wissenschaftlichen Texten sowie mit vielfältigen Stimmen aus den Communities an. Die Autorin bewegt sich sehr nah an den Fandoms und somit an den Leser*innen. Dabei ist sie mit viel Leidenschaft und Wissen bei der Sache. Und obwohl Goldschmit-Lechner versucht, Nicht-Nerds in den Diskurs einzubinden und sich nicht im Fandom-Jargon zu verlieren, fehlte auch mir hier und da der Durchblick. Dennoch hat das Buch viele Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend wachgerüttelt und es hat mich bestärkt, mein eigenes Nerd Girl-Dasein zu feiern.
Ungefähr ab der Hälfte des Buches bekam ich mehr und mehr das Gefühl, dass der Autorin der Platz ausging. Die Ausführungen werden kürzer, obwohl ganz deutlich wird, dass die Autorin noch viel mehr zu sagen hätte. Ich hatte das Gefühl, dass der Text sehr stark gekürzt wurde. Ich würde nicht sagen, dass der Text bruchstückhaft wird, aber der Fluss scheint irgendwie zu stocken.
Mein Fazit
Simoné Goldschmidt-Lechner stärkt mit dem Essay „Nerd Girl Magic“ das Wir-Gefühl einer marginalisierten Gruppe innerhalb von Fandoms und Communities, in denen diese Personengruppen nicht willkommen sind. Goldschmidt-Lechner ermutigt dazu, den eigenen Platz in dieser Community einzunehmen, weist aber auch darauf hin, dass man ihn verteidigen muss – immer und immer wieder. „Nerd Girl Magic“ steht für Empowerment, Aufklärung und Leidenschaft. Goldschmidt-Lechner setzt damit ein Zeichen gegen all die Gatekeeper da draußen, lädt diese aber auch gleichzeitig ein, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken. Absolute Leseempfehlung!
Weitere Meinungen zu “Nerd Girl Magic” von Simoné Goldschmidt-Lechner
- Rezension von Lust auf Literatur | Literatur Blog
- Rezension von Booknerds