[Rezension] The Liar’s Dictionary

The Liar’s Dictionary – Eley Williams

Aquila

Verlag: Penguin Random House UK | Seiten: 265
Erschienen: 2020

Kurzbeschreibung
Ende des 19. Jahrhunderts befleißigt sich der junge und frustrierte Lexikograph Peter Winceworth, fingierte Einträge in das Swansby’s New Encyclopaedic Dictionary zu schmuggeln. Ungefähr ein Jahrhundert später wird die Langzeit-Praktikantin des Wörterbuchs damit betraut eben diese Einträge aufzuspüren, damit das Wörterbuch fehlerfrei digitalisiert werden kann. Während sich Mallory durch die staubigen Inhalte des Wörterbuchs quält, terrorisiert ein anonymer Anrufer sie mit angsteinflößenden Drohanrufen.


Meine Meinung
Eine der ersten (bitteren) Wahrheiten, die einem im Lexikographie-Studium mit auf den Weg gegeben wird, lautet: Ein Wörterbuch, welches nicht abgeschlossen wird, hätte gar nicht erst begonnen werden dürfen. Das fiktive Swansby’s New Encyclopaedic Dictionary, Dreh- und Angelpunkt dieses Romans, ist genau so ein Wörterbuch. Doch nicht nur ist dieses Wörterbuch unvollständig, sondern auch noch randvoll mit Einträgen zu fiktiven Wörtern, die es gar nicht wirklich gibt, sogenannte „mountweazel“. Spannender Ausgangspunkt, vor allem für eine Lexikographin und Sprachliebhaberin wie mich. Ich war sehr neugierig, welche Geschichte die Autorin erzählen würde. Wie sich herausstellte: eine ganz andere als ich erwartet hatte.

Erzählt wird die Geschichte auf zwei verschiedenen zeitlichen Ebenen. Protagonist der Vergangenheit und Urheber der fiktiven Einträge ist Peter Winceworth. Ein extravaganter und exzentrischer Zeitgenosse, mit einer sehr gekünstelt wirkenden Attitüde. Unzufrieden mit sich selbst und der Welt im Allgemeinen, blüht er beim Verfassen der fiktiven Einträge auf. Protagonistin der Gegenwart ist Mallory, Langzeit-Praktikantin bei Swansby’s: zurückhaltend und eine ebenfalls sehr unsichere Persönlichkeit. Sie wird bei ihrer täglichen Arbeit von Drohanrufen und Morddrohungen terrorisiert.

Zeitlich weit voneinander entfernt, weisen beide Figuren und vor allem die Handlungsstränge einige Parallelen und Ähnlichkeiten auf, dass man tatsächlich meinen könnte, die beiden würden sich auf der nächsten Seite oder im Korridor der Wörterbuchredaktion begegnen. Das hat die Autorin wirklich sehr geschickt eingefädelt. An manchen Stellen wirkt es vielleicht etwas zu forciert, aber dennoch sehr einfallsreich. Leider konnte ich weder zu Mallory noch zu Winceworth eine Verbindung aufbauen. Ihre Persönlichkeiten waren mir einfach zu umständlich. Die beiden Figuren verstecken sich hinter einer Mauer aus Wörtern und Nicht-Wörtern, die es unmöglich macht, zu ihnen durchzudringen. Obwohl gut durchdacht, erschien mir auch die Handlung etwas langatmig. Zahlreiche Längen sind wortreich gefüllt, bleiben inhaltlich aber irgendwie nichtssagend. Es dauert lange bis die Handlung (und auch die Protagonisten) auf den Punkt kommen.

In diesem Roman steht die Liebe zur Sprache und zum Wort im Vordergrund. Aber nicht nur! Sehr gut gefallen hat mir die Prise LGBTQ+ als Handlungselement des Gegenwartshandlungsstrangs. Dieser Teil der Geschichte kam mir sehr authentisch vor und überhaupt nicht aufdringlich (wie es mit Romanzen sonst immer so ist). Auch in der Vergangenheit bei Winceworth spielt die Liebe eine wichtige Rolle, aber eine ganz andere. Und auch das fand ich sehr schön.

Apropos Wörter und Sprache. Ich habe das Buch auf Englisch gelesen. Wer mir das gleich tun möchte, sollte darauf vorbereitet und vor allem dazu bereit sein, ein Wörterbuch zur Hand zu nehmen und fleißig Wörter nachzuschlagen. Zwischendurch habe ich es bereut, den Roman nicht auf dem Kindle zu lesen; das hätte das Nachschlagen um einiges vereinfacht (an dieser Stelle ein Hoch auf die integrierten Wörterbücher, die beim Lesen nur einen Klick entfernt sind). Ich hätte mich natürlich sehr gewundert, wenn in einem Roman, in dem die Liebe zur Sprache im Vordergrund steht, keine unbekannten, exotischen und bunten Wörter oder Phrasen vorkommen. Aber das, was mich auf den knapp 270 Seiten erwartete, war dann selbst für meinen Geschmack etwas zu viel. Die Autorin weiß, wie man mit Sprache umgeht, ja, aber manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie übertreibt und sich aufspielen wollte.

Für mich hat sich sehr schnell herausgestellt, dass der Wirbel um die fiktiven Einträge eigentlich nur Nebensache ist. Auch hatte ich meine Probleme damit, wie die lexikographische Arbeit im Roman dargestellt wird. Da sich der Handlungszeitraum auf wenige Tage beschränkt, ist das geleistete Arbeitspensum vollkommen unrealistisch (und ich weiß wovon ich rede; ich hab das studiert und beschäftige mich damit tagein, tagaus). Man merkt also leider, dass die Autorin keine „richtige“ Lexikographin ist.


Mein Fazit
Obwohl ich selbst Sprach-Enthusiastin und von Beruf aus Lexikographin bin, empfand ich die Lektüre dieses Romans als ermüdend und anstrengend. Dennoch: Hinter all den leeren und übervollen Wörtern versteckt sich eine süße, abwechslungsreiche und ansonsten lesenswerte Geschichte.


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