[Rezension] Regenwörter

Titel: Regenwörter
Autorin: Rose Ausländer
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek Nr. 8959
Verlag: Reclam Verlag
Seiten: 115
Erschienen: 1994

Meine Meinung
Ich weiß nicht, weshalb ich zu diesem Gedichtband griff. Womöglich weil ich seit geraumer Zeit in einer Schreibgruppe aktiv schreibe und es gewohnt bin, lyrische Texte zu lesen, zu schreiben und zu hören? Vielleicht auch nur wegen des ausdrucksstarken Titels? Wie dem auch sei, ‚Regenwörter‘ war ein absoluter Glücksgriff.

An Gedichten missfallen mir häufig die Reime. Rose Ausländer hat einen sehr angenehmen und modernen Stil – ohne Reime. Man muss die Gedichte langsam lesen, am besten sollte man sie sich laut vorlesen (lassen). So klingen die Worte und die Emotionen, die sie transportieren, am stärksten. Manche Wörter entfalten ihre Kraft erst, wenn man sie isoliert von anderen liest. Rose Ausländers Sprache ist sehr ausdrucksstark, gelegentlich etwas düster. Die Sprachbilder sind beeindruckend und riefen bei mir eine Gänsehaut hervor. Oft fühlte ich beim Lesen eine unbestimmbare Melancholie, eine Sehnsucht nach dem Leben.

‚Regenwörter‘ gibt das Leben Rose Ausländers in komprimierter Form wieder. Vor allem der Krieg und das Leid sind häufig vetreten. Der Gedichtband enthält aber viel mehr als das. Die Gedichte erzählen von dem Leben, der Liebe, dem Sich-Erinnern, dem Hoffen, dem Reisen und dem Sterben. Ich habe Rose Ausländer nicht unter dem vom Verleger im Nachwort erwähnten Etikett ‚Frau – Jüdin – Dichterin‘ gelesen; sondern als ‚Frau – Dichterin‘, weil ich sie vorher nicht kannte und sie auch nicht literarisch/geschichtlich einzuordnen wusste. Ich bin froh, dass ich die Autorin auf diese Weise kennenlernen durfte.

Es gab nur wenige Gedichte, die mir nicht gefallen haben. Berührt haben mich vor allem die Gedichte über die Sprache, die Landschaften und das Erinnern. Alles Aspekte, die mein Leben ebenfalls prägen. Das Motiv der Zeit hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Gelegentlich sprachen mich auch nur einzelne Verse oder Strophen an, wie z. B. „und spiele/ mit Worten/ wie ein/ törichtes Kind.“ (Ich bin schon lange verschollen, S. 42). Der Gedichtband umfasst Gedichte, zu denen man zurückkehrt, ob im Kopf, mit dem Herzen oder tatsächlich mit dem Buch in der Hand.

Zu meinen Lieblingsgedichten gehören:

  • Mein Venedig
  • Wo sich verbergen
  • Befehl
  • Mutterland
  • Wer bin ich
  • Wabe
  • Wort and Wort

Der Titel ist ebenfalls sehr treffend gewählt und hat umgehend meine Aufmerksamkeit erregt. Regenwörter. Mal tröpfeln die Worte und Emotionen nur sehr leicht und langsam dahin, wie Sommerregen. Oder sie überfluten einen, den Kopf und das Herz; sie peitschen wie der Regen im Sturm.

Mein Fazit
Rose Ausländer hat mich mit ihren Worten, in denen so viel Leben, Schmerz und Erfahrung stecken, tief berührt und bewegt. Ein wahrer Glücksgriff, den ich nicht mehr hergebe. Absolute Leseempfehlung.

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