Das Buch "Unfollow" von Nina Schink liegt auf einem weißen Untergrund. Um das Buch herum liegen Social-Media-Icons aus Pappe (ein neuer Like, ein*e neue*r Follower*in, ein neues Kommentar)

[Rezension] Unfollow

Unfollow – Nena Schink

Das Buch

Verlag: Eden Books | Seiten: 240
Erschienen: 2020

Kurzbeschreibung: Die Instagram-Sucht

Die Social Media-Plattform Instagram ist für sehr viele Menschen ein täglicher Begleiter: häufig gilt der erste und letzte Blick des Tages dem Smartphone und dieser App. In ihrem Ratgeber beschreibt Nena Schink den Einfluss von Instagram auf ihr Leben, gibt Einblicke in die Welt der Influencer*innen und gibt Ratschläge für eine ausgewogenere Instagram-Nutzung.


Meine Meinung: Uff

Mir ist schon vor längerer Zeit bewusst geworden, dass meine Art und Weise Instagram zu nutzen, nicht ideal ist: Ich investiere sehr viel Zeit in die App, aber der daraus entstehende Mehrwert ist vergleichsweise gering. Ich habe also angefangen, mein Nutzungsverhalten zu hinterfragen, habe die App von meinem Smartphone verbannt und habe zu diesem Ratgeber gegriffen, um mein Vorhaben zu unterstützen. Allerdings hatte dieser Ratgeber nur einen mäßigen Nutzen oder Einfluss auf mich und mein künftiges Nutzungsverhalten. In dem Buch steht nichts, was ich nicht schon durch vorheriges Recherchieren und Belesen wusste.

In ihrem Buch fokussiert sich die Autorin sehr stark auf die Sparten Mode, Beauty, Sport und Lifestyle und weicht somit schon mal sehr stark von der Bubble ab, in der ich mich bewege: Bookstagram. Hier geht es vor allem um Bücher. Auf Bookstagram steht die Inszenierung des Lesens, der Bücher und der Lesenden an sich im Vordergrund. Wie oft habe ich mich dabei erwischt, dass sich ein Foto von meiner derzeitigen Lektüre in den Stories postete und mich dann, anstatt zu lesen, einfach minutenlang durch Reels und Stories klickte? Richtig: zu häufig. Somit ließen sich viele Inhalte aus Schinks Buch dennoch auf meine Situation übertragen. Denn grundsätzlich sind die Mechanismen dieselben.

Der Ratgeber ist in drei Teile gegliedert: Im ersten Teil beschreibt die Autorin ihr eigenes Nutzungsverhalten, wirft Schlaglichter darauf, wie Instagram ihr Leben beeinflusst, die Beziehungen zu ihrer Familie, ihren Freund*innen und ihrem Partner. Im zweiten Teil erklärt sie das Konzept des*der Influencer*in. Schink spricht von Geschäftsmodellen, von Werbung und von Kooperationen, von Kaderschmieden und sie interviewt Influencer*innen. Im letzten Teil zeigt die Autorin, wie man das eigene Nutzungsverhalten hinterfragen kann und gibt Anregungen dazu, wie sich ein alternatives Nutzungsverhalten gestalten könnte. Einen Königsweg beschreibt sie nicht, da es den nun mal nicht gibt.

Der erste Teil des Buches ist reine Selbstdarstellung. Man merkt, dass die Autorin darin geübt ist und es auch gerne macht. Der Ton ist jovial, kumpelhaft und anbiedernd. Ich fand es teilweise sehr anstrengend zu lesen. Natürlich habe ich Berührungspunkte entdeckt, aber wirklich geholfen, hat es mir nicht. Außerdem erschien mir dieser Teil wie eine Lobhudelei auf ihre Familie (aufgrund eines Rassismusvorwurfs (?) betont die Autorin, dass ihre Familie die liberalste Familie Deutschlands sei: „Meine Mutter kümmert sich um Mohammed, ein Flüchtlingskind aus Syrien, und ihr ehemaliger Pflegesohn ist gebürtiger Thailänder. Ich spreche aus Überzeugung kein Wort mit AfD-Wählern.“ S. 149 – wen genau interessiert das und warum genau steht das in diesem Ratgeber?) und auf Freund*innen und auf all die Menschen, die kein oder kaum Social Media nutzen (und deswegen – so klang es zumindest – ein erfüllteres Leben führten). Seltsam empfand ich auch die Kästen mit „Notiz an mich selbst“ à la „Mit einem Glas Wein in der Hand durch das nächtliche Athen tanzen“ (S. 44) oder „Der Alltag einer Influencerin ist nicht cool, sondern einfältig“ (S. 30 – Wow, was für eine pauschalisierende und abwertende Aussage!). Ich verstehe die Intention dahinter, aber sah darin für mich keinen richtigen Nutzen.

Was mich besonders erschreckt hat, war eine Aussage direkt zu Beginn des Buches: „Gerade in jungen Jahren solltest du nach der großen Liebe Ausschau halten…“ (S. 13). Natürlich ergänzt sie ihre Aussage noch um ein paar andere Punkte (Freundschaften schließen, Erinnerungen schaffen etc.), aber ich halte diese Aussage für sehr kurzsichtig und konservativ.

Die Autorin ist Journalistin, jedoch konnte ich den journalistischen Anspruch nicht immer entdecken. Ich hatte das Gefühl, dass sie nur sehr oberflächlich recherchiert hat und es sich mehr um ein „Ich-quatsche-mir-mal-alles-von-der-Seele-und-schreibe-munter-darauflos“ handelte. Auch, dass sie von ihr selbst in der Vergangenheit geführte Interviews recycelt, die online abrufbar sind, empfand ich irgendwie seltsam. Und wie man ein Quellenverzeichnis erstellt (sofern sie darauf Einfluss hatte), sollte auch nochmal geübt werden.

Mit Teil zwei „Welt der Influencer“ hatte ich auch so einige Probleme. An dieser Stelle möchte ich ergänzen, dass die Autorin in ihrem Ratgeber fast nur von Frauen spricht und die Instagram-Sucht als etwas darstellt, das nur oder hauptsächlich Frauen betrifft. Das ist eine sehr kurzsichtige (und binäre) Perspektive. Dass dieses Phänomen unter Frauen weiter verbreitet ist als unter Männern, zweifle ich gar nicht an (oder vielleicht doch?), aber so einfach ist es leider nicht (zumal sie queere Menschen oder Menschen mit Behinderung bei ihren Betrachtungen komplett ausschließt bzw nicht erwähnt). Dazu passend: Die Autorin gendert nicht, nur an zwei oder drei Stellen verwendet sie plötzlich das Binnen-I? Dazu kommt, dass die Autorin abwertend über Influencerinnen schreibt und sexistische Klischees sprachlich reproduziert, wie etwa „Bloggerina“ und „Spielerfrau“. Insgesamt ist der Grundton eher abwertend und abschätzig, was ich sehr schade und auch nicht gerechtfertigt finde. Die Autorin möchte mit diesem Buch empowernd sein und macht sprachlich eigentlich genau das Gegenteil.

Wenn man es bis zum dritten Teil des Buches „Auf der Suche nach der einen perfekten Instagram-Lösung“ geschafft hat, wird mit einem Fragebogen zur Hinterfragung des eigenen Nutzungsverhalten belohnt. Mit ihren Fragen hat die Autorin das Rad zwar nicht neu erfunden, aber hier bringt sie es wenigstens mal auf den Punkt ohne in ein tagebuchartiges Erzählen auszubrechen. Mein Take daraus: Man könnte die ersten zwei Teile des Buches auch getrost überspringen, direkt das letzte Kapitel lesen und sich damit begnügen. Jedoch sind auch die Fragen und Antworten, die sie stellt und beantwortet nichts Neues oder Überraschendes. Das waren Fragen, die ich mir selbst schon längst gestellt und beantwortet hatte.

Die Autorin stellt Instagram als den Ursprung allen Übels dar – um es mal überspitzt auszudrücken. Aber Instagram ist nicht das Problem in sich, sondern das Problem sind die Mechanismen unserer patriarchalen Gesellschaft, die Instagram erst ermöglichen so erfolgreich zu werden und unser Leben zu „zerstören“, wie es die Autorin im Untertitel ihres Buches ausdrückt. Instagram ist nicht das Problem, sondern ein Symptom. Es ist nur die Spitze des Eisbergs.

Die Autorin versteift sich in ihrem Ratgeber sehr (natürlich nicht nur) auf die negativen Seiten von Instagram und das finde ich sehr schade. Es ist ein sehr einseitiges Betrachten des Phänomens. Natürlich hat Instagram viele negative Seiten (und auch Bookstagram ist häufig mehr Schein als Sein und täuscht eine heile Welt und Friede-Freude-Eierkuchen vor – manchmal schon ein wenig heuchlerisch), aber Instagram bringt auch Vorteile mit sich. Es gibt zahlreiche wundervolle Accounts, die zu vielen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens (Politik, Umwelt, Rassismus, Feminismus usw.) starke Aufklärungsarbeit leisten. Außerdem entdecke ich über Instagram immer wieder spannende Bücher (mein Geldbeutel würde zwar eher sagen, dass es sich dabei um einen Nachteil handelt, aber gut, das ist Ansichtssache – haha) und Instagram hat auch ein wenig dazu beigetragen, mein Selbstbewusstsein zu stärken. Für mich steht fest (auch schon vor der Lektüre), dass ich Instagram nicht vollständig aus meinem Leben streichen möchte, aber ich werde auch nicht so weitermachen wie bisher.


Mein Fazit: Pauschalisierend und abwertend

Die Autorin beschränkt sich in ihrem Buch sehr stark auf Allgemeinplätze. Es ist ein oberflächliches und selbstdarstellerisches Auseinandersetzen mit der App Instagram. Die Autorin schreibt auf eine sehr pauschalisierende, abwertende und allgemeingültige Art und Weise. Das funktioniert nur leider nicht (immer). Insgesamt war „Unfollow“ für mich kaum oder nur eingeschränkt nützlich, weshalb ich keine vollumfängliche Leseempfehlung aussprechen kann.


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