[Rezension] Das rote Adressbuch

Titel: Das rote Adressbuch
Autor: Sofia Lundberg
Übersetzerin: Kerstin Schöps
Verlag: Goldmann Verlag
Seiten: 352
Erschienen: 2018

 

Kurzbeschreibung
Im Alter von 10 Jahren schenkt Doris Vater ihr ein rotes Adressbuch, in dem sie alle Menschen, denen sie auf ihrem Lebensweg begegnet, verewigen soll. Nun ist Doris bereit ihre letzte Reise anzutreten. Doch zuvor schreibt sie ihre Lebensgeschichte nieder. Das rote Adressbuch weist ihr dabei den Weg.

Meine Meinung
‚Das rote Adressbuch‘ ist ein Frauenroman. Nicht nur von der Aufmachung her, sondern auch vom Inhalt. Und doch habe ich ihn gelesen und er hat mir gefallen. Denn die Art und Weise wie die Geschichte erzählt wird, ist einzigartig und originell. Es ist faszinierend, was man aus einem Alltagsgegenstand wie einem Adressbuch, das heutzutage wahrscheinlich nur noch von wenigen geführt wird, zaubern kann.

Sofia Lundberg und ihre Protagonistin Doris nehmen den Leser mit auf eine außergewöhnliche Zeitreise. Anrührend und sehr eindringlich erzählt Doris von ihrer gestohlenen Kindheit und Jugend als Hausmädchen in Schweden und Paris, aber auch von den Wundern, die sie in der Stadt der Liebe erlebte. Sie erzählt von ihren Erlebnissen in den USA. Sie berichtet von einer großen und wahren Liebe, von Einsamkeit, von Opfern, die sie bringen musste, von Freunden, von Widersachen und von Familie. Doris baut eine Welt aus Erfahrungen, Träumen und Erinnerungen, die sie ein Leben lang begleitet haben. Denn sie hatte ein sehr bewegtes Leben und schildert es in leuchtenden Farben und bewegten Bildern, mit viel Gefühl und Auge fürs Detail. Die Autorin weiß genau, welche Teile aus Doris Leben sie in aller Breite und Tiefe erzählen kann, ohne den Leser zu langweilen, und welche nicht. Der Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart vollzieht sich jedes Mal fließend.

Wie schon angedeutet, spielt eine Liebesgeschichte eine wichtige Rolle. Sie ist zwar ein wenig 0815, nichts was man nicht schon mal gelesen, gehört oder gesehen hätte, aber die Art und Weise wie sie erzählt wird, ist der schlagende Pluspunkt. Das kitschige Ende ist zwar nicht für jedermann oder jedefrau, aber es fügte sich perfekt in die Handlung ein, ohne fehl am Platz zu wirken.

Die Schilderung der Handlung teilt sich in unterschiedliche Perspektiven auf: Einerseits Doris, die ihre Geschichte in Gegenwart und Vergangenheit erzählt, andererseits ihre Großnichte Jenny, die ihre Großtante dabei begleitet, auf Papier in der Vergangenheit und an ihrer Seite in der Gegenwart. Der Erzählstil von Jennys Perspektive hat mir nicht gefallen: zu hastig und abgehackt. Doris hingegen ruht in sich, ist filigran und klug. Im Erzählstil spiegeln sich die Unterschiede der zwei Frauen bestens wider: das Alter, die Erfahrungen und der Umgang mit dem Tod. Diese Gegensätze darzustellen, ist der Autorin wirklich sehr gut gelungen.

Gegen Ende hatte ich leider das Gefühl, dass die Autorin die Geschichte unbedingt zum Abschluss bringen wollte. Alles geschieht sehr schnell und vieles kommt zu kurz. Zwar spiegelt der Erzählstil auch hier die Umstände der Ereignisse sehr gut wider, aber trotzdem fehlte mir die Liebe zum Detail, die mir während der restlichen Lektüre ständig begegnete. Und obwohl das Ende ziemlich kitschig ist, habe ich Rotz und Wasser geheult. Und wenn mich ein Buch zum Weinen bringt, dann hat das was zu bedeuten.

Den Roman umgibt eine sehr melancholische und schwermütige Aura. Man kommt nicht umhin, über das Leben nachzudenken. Es ist ein sehr beruhigendes Buch, welches zeigt, dass jedes Leben einzigartig ist und dass man gelebte Augenblicke nicht wiedererleben kann. Doris sagt uns, dass wir unser Leben genießen sollen, die schönen und hässlichen Augenblicke. Das Leben ist eine Reise, ein Abenteuer. Und für jeden Menschen, der uns auf unserem Weg begleitet, egal wie kurz dieses Stück auch sein mag, sollten wir dankbar sein. Während der Lektüre habe ich mich häufig gefragt, welche Namen meine Geschichte wohl prägen werden. Wenn ich jetzt zurückblicke, finde ich bereits ein paar Namen, die mich geprägt haben. Aber werden sie ihre Bedeutung bis zum Schluss behalten oder von anderen Namen überschattet?

Die Geschichte um Doris und Jenny kam mir extrem real vor. Es kam mir sehr unwahrscheinlich vor, dass sie vollständig der Fantasie der Autorin entsprungen sein sollte. Und in der Tat hat sich die Autorin vom Tod ihrer Großtante zu dieser schwermütigen Geschichte inspirieren lassen. Es ist ihr gelungen, die Erfahrungen und Lehren, die sie aus diesem Verlust gezogen hat, an die Leser weiterzugeben. Sie schafft es, dass der Leser zuhört.

Mein Fazit
‚Das rote Adressbuch‘ ist ein Buch, welches einen von innen wärmt, auch wenn es einen sehr traurig und nachdenklich stimmt. Ein Roman, der ganz besonderen Art. Er gehört zu meinen Highlights 2018.

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