Die drei Teile der englischen Reihe Draconis Memoria liegen aufgestellt, mit dem Buchrücken nach oben zeigend, auf einer weißen und grauen Kucheldecke.

[Sammelrezension – ohne Spoiler] Draconis Memoria (Band 1 – 3)

Draconis Memoria – Anthony Ryan

Die drei Teile der englischen Reihe Draconis Memoria liegen aufgestellt, mit dem Buchrücken nach oben zeigend, auf einer weißen und grauen Kucheldecke.

Band 1: Das Erwachen des Feuers | Originaltitel: The Waking Fire
Band 2: Das Heer des Weißen Drachen | Originaltitel: The Legion of Flame
Band 3: Das Imperium aus Asche | Originaltitel: The Empire of Ashes
Verlag: Hobbit Presse Klett-Cotta | Seiten: ~2100
Übersetzer*innen: Sara Riffel, Birgit Maria Pfaffinger | Erscheinungsjahre: 2017-2019

Kurzbeschreibung

Im vom Ironship Syndicate kontrollierten Gebiet gilt Drachenblut als das wertvollste Handelsgut. Rote, grüne, blaue und schwarze Drachen werden für ihr Blut, das den Menschen übernatürliche Kräfte verleiht, gejagt. Doch das Drachenblut ist nicht nur sehr wertvoll, sondern es wird auch immer seltener: Die Drachenpopulationen gehen zurück und die Wirksamkeit des Elixirs wird immer schwächer. So schickt das Syndikat Claydon Torcreek auf eine gefährliche Reise, eine legendäre Drachenart zu finden: den weißen Drachen.


Meine Meinung

Richtig gutes Drachen-Fantasy (geschweige denn episches High Fantasy) zu finden, ist eine wahre Herausforderung geworden. Diese Geschichten sind einfach sehr selten geworden. Dafür bin ich umso glücklicher, dass sich diese Reihe zu den wenigen Ausnahmen hinzugesellen kann. Die Trilogie hat mich nicht nur wegen der Drachen und ihrer einzigartigen Rolle überzeugt, sondern weil sie noch so viel mehr bietet: Es ist eine geniale Mischung aus Abenteuergeschichte und Spionage-Roman. Es geht um politische Intrigen, Revolution, Krieg, technologischen Fortschritt, um Rache, um Hoffnung auf eine bessere Zukunft, um übernatürliche Kräfte und es geht natürlich um Drachen. Drachen, Drachen, Drachen!

Handlung
Über alle drei Bücher hinweg war ich gespannt wie ein Flitzebogen, weil es bis zuletzt nicht ersichtlich war, wie sich das große Finale gestalten würde. Es war spannend bis zum Ende und noch darüber hinaus, denn ich habe das Gefühl, dass der Autor einiges offen gelassen hat. Der Plot war durchgehend undurchsichtig und nicht vorhersehbar. Leider war vor allem Band 2 von einer gewissen Passivität gekennzeichnet, was für ein paar Längen gesorgt hat. In Band 3 nimmt das Ganze dann wieder merklich Fahrt auf – was ich vor allem daran gemerkt habe, dass ich nur so durch die Seiten geflogen bin.

Die Spannung zieht sich wie ein roter Faden durch alle drei Bände und reißt trotz einiger Auf und Ab und einiger Längen nicht ab. Dennoch lässt der Roman genug Raum, um sich von den vielen Abenteuern zu erholen. Über die drei Bände hinweg gab es einige überraschende Wendungen und fast jedes Kapitel wartete mit einem Cliffhanger auf, der noch unerträglich wurde, weil jedes Kapitel abwechselnd aus der Perspektive einer anderen Figur erzählt wird. Hier war also Geduld gefordert, denn zwischen dem einen Cliffhanger kam erst die Auflösung eines anderen. Aber das Warten wird jedes Mal belohnt. Ganz großes Kino, wirklich!

Einige Handlungspunkte bzw. deren Ablauf wiederholen sich, das war besonders auffällig bei den Seeschlachten. Der grobe Ablauf der Schlachten ähnelte sich und variierte kaum. Ich will nicht sagen, dass es langweilig wurde, aber die Überraschungsmomente bei den Seeschlachten verflüchtigten sich recht schnell. Schlachten finden sich in den Büchern so einige: Diese sind sehr brutal und die Gewalt wird auch explizit geschildert. Ich hatte häufig ein ganz mulmiges Gefühl, ob der unzählbaren Menge an Toten. Ich würde sogar fast sagen, dass es hier und da ein wenig zu krasses Blutvergießen war. Ich habe mich sogar das eine oder andere Mal gewundert, dass überhaupt noch jemand zum Sterben übrig war.

Das Ende (also das Ende des dritten Bandes) fand ich auf eine sehr unerwartete Art und Weise versöhnlich. Aber ich hatte auch das Gefühl, dass bei dieser Geschichte der Weg das Ziel war. Bis zum Ende habe ich den handlungsverlauf zu keinem Zeitpunkt durchschauet.

Ein bisschen Romantik ist natürlich auch dabei, vor allem in Band 1 und Band 3. Dieses Element nimmt aber nicht Überhand und es wird auch nicht zur treibenden Kraft der Handlung.

Figuren
Die Figuren haben diese Geschichte erst so richtig lesens- und erlebenswert gemacht. Wie schon erwähnt, wird jedes Kapitel abwechselnd aus der Perspektive einer anderen Figur erzählt. Über die drei Bücher bleibt der Kern der Figuren mehr oder weniger unverändert. Der Figurencast ist auch nicht so überladen, dass man riskiert, beim Lesen den Überblick zu verlieren. Die Figuren sind auch alle einzigartig, weshalb es gar nicht zu einer Verwechslung kommen kann. Jede Figur, egal ob Haupt- oder Nebenfigur hat eine eigene Vergangenheit und eine detailliert ausgearbeitete Persönlichkeit. Man hat das Gefühl, dass man dadurch den Figuren sehr nah kommt und dass man die Ereignisse zusammen mit den Figuren erlebt. Keine Figur existiert einfach nur so, um eine Leerstelle zu füllen: Jede*r ist organischer Bestandteil der Welt.

Die Art und Weise wie die Figuren miteinander interagieren, sich über den Weg laufen (oder auch nicht) – einfach die Vernetzung des Figurencasts ist extrem gut ausgearbeitet. Es gibt so viele verschiedene Figuren, die genauso viele verschiedene Abenteuer erleben und somit gibt es auch viele verschiedene Handlungsstränge, die aber so gut mit- und ineinander verwoben sind, dass es einem als vollständiges Ganzes vorkommt. Jede Figur, ganz egal auf welcher Seite sie stand, verfolgte ein individuelles Ziel, das wiederum in einem übergeordnetem Zweck zusammenlief (auch wenn die Figur es vielleicht nicht wusste). Ein derartiges Gefüge findet sich meiner Meinung nach nur noch ganz selten in Geschichten und das zeugt von ganz großem Können. Chapeau an den Autor – ganz großes Vorbild!

Wenn ich mich für eine Lieblingsfigur entscheiden müsste, würde ich mich für Lizanne entscheiden – wenn ich jetzt sage, dass sie eine starke Frauenfigur ist, klingt das schon fast klischeehaft (und irgendwie untertrieben). Aber sie ist wirklich eine Badass Bitch. Oh, und bei Captain Hilemore hatte ich ja schon ein wenig Herzklopfen.

World-Building
Ich bin begeistert. Von vorne bis hinten, von Kopf bis Fuß, von oben bis unten. Der Autor hat eine vielseitige Steampunk-Welt erschaffen, eine lebendige Welt, mit unterschiedlichen Reichen, Völkern, Technologien, Regierungsformen. Es ist eine Welt im Wandel, im Aufbruch, in der Macht und Einfluss neu ausgehandelt wird. Hier und da hat sie mich an unsere Welt erinnert (Stichwort: Ressourcenknappheit!).

Mit seinem Erzählstil und seinem sehr detaillierten World-Building gelingt es dem Autor dieser Welt Leben und Bewegung einzuhauchen: Ich bin in der Geschichte vollkommen abgetaucht. Der Autor weiß, wie man spannend und lebendig erzählt und vor allem auch beschreibt.

Ein großes Manko: Landkarten! In allen drei Bänden legen die Figuren unzählige Kilometer zurück, durchqueren Länder, Meere und Lüfte. Größere, detaillierte und einfach mehr Landkarten hätte ich zu schätzen gewusst. Um zB Schiffs- oder Reiserouten besser nachvollziehen zu können oder um die geopolitischen Zusammenhänge besser verstehen zu können. Die in den Büchern abgedruckten Landkarten (ich beziehe mich hier auf die englische Taschenbuchausgabe) haben mich sehr enttäuscht.


Mein Fazit

Ich bin baff: Endlich mal wieder eine Fantasy-Reihe, bei der ich mich während der Lektüre auf dem Sofa genauso mutig und abenteuerlustig fühlte wie die Figuren im Buch. Nein, das ist gelogen. Ich war gar nicht auf dem Sofa, sondern bin mit Claydon durch die Wildnis in Arradsia gewandert, mit Lizanne in der Gefängnisstadt Scorazin herumgeschlichen und mit Captain Hilemore in den eisigen Gewässern des Südens unterwegs gewesen. Ich bin auf einem schwarzen Drachen geflogen, habe mit Piraten gekämpft und Drachenblut getrunken. Danke Anthony Ryan für dieses Page-Turner-Abenteuer. Absolute Leseempfehlung!


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