[Rezension] Anti-Girlboss

Anti-Girlboss – Nadia Shehadeh

Aquila

Verlag: Ullstein Buchverlage | Seiten: 224
Erscheinungsjahr: 2023

Kurzbeschreibung

Arbeiten oder prokrastinieren? Freizeit oder Überstunden? Stress oder Müßiggang? Bürostuhl oder Couch? Nadia Shehadeh widmet sich in ihrem Buch dem Girlboss-Dasein und sagt ihm den Kampf an oder anders: Sie verweigert sich diesem. Die Autorin zeigt ihren Leser*innen anhand ihrer eigenen Erfahrungen, wie ein Leben abseits von Karriere auf Überholspur aussehen kann.


Meine Meinung

Ich würde mich selbst weder als „Girlboss“ noch als „Anti-Girlboss“ bezeichnen (wobei vielleicht eine leichte Tendenz zum „Girlboss“ vorhanden ist). Ich sehe mich irgendwie dazwischen, weshalb mich dieses Buch sehr neugierig gemacht hat. Allerdings hat mich die Lektüre mit gemischten Gefühlen zurückgelassen; einerseits weil mich das Konzept eines „Anti-Girlbosses“ nicht so ganz überzeugen konnte und andererseits weil ich inhaltlich etwas anderes erwartet habe.

In den Ausführungen der Autorin fehlte mir ein roter Faden. Die „Girlboss“-Bewegung benutzt die Autorin als Aufhänger, um ihre eigene „Arbeits“-Biographie zu erzählen. Es ist mehr ein persönlicher Erfahrungsbericht über die Leistungsanforderungen in unserer Gesellschaft, die sie erlebt hat und weniger ein Sachbuch. An dieser Herangehensweise ist nichts falsch, nur habe ich einen anderen Fokus erwartet.

Die Kritik an dem Begriff „Girlboss“ kam mir insgesamt zu kurz und war sehr oberflächlich gehalten. Sie erwähnt zwar, dass es ein sexistischer Begriff ist, weil man einen Mann niemals als „Boyboss“ bezeichnen würde, aber das war es dann auch. Dass dieser Begriff erwachsene Frauen, die erfolgreich im Berufsleben stehen, infantilisiert, erwähnt sie nicht. Dass sie dann auf dieser sexistischen Ebene bleibt und den „Anti-Girlboss“ bzw. „Girlloser“-Begriff (weiter)entwickelt, hat mich nicht gerade überzeugt. Ich habe den Verdacht, dass die Autorin damit versucht, einem Trend nachzulaufen. Denn „girl“-Komposita liegen momentan voll im Trend: girl math, girl dinner, that girl und was es da nicht noch so gibt. Auch genannt die „Girlification“ des erwachsenen weiblichen Lebens (wenn wir bei einer binären Perspektive bleiben wollen), die besonders in den Sozialen Medien zu beobachten ist und für viele Kritiker*innen einen Rückschritt für Frauen bedeutet. Es leuchtete mir auch nicht so ganz ein, warum die Autorin den „Girlloser“ einführt, wenn es schon das titelgebende „Anti-Girlboss“ gibt?

Aber hängen wir uns nicht zu sehr an Begrifflichkeiten auf. Der Fokus der Autorin liegt, wie bereits erwähnt, auf der eigenen Biographie. Sie schildert welche Bedeutung das Arbeiten für ihre migrantischen Eltern hatte, erzählt von ihren eigenen sehr frühen und ausbeuterischen Tätigkeiten, wie sie ihr Studium gewuppt hat und von ihrer derzeitigen Tätigkeit. Dass sie aus einer privilegierten Perspektive und für eine ebenso privilegierte Leserschaft schreibt, ist ihr bewusst und sie erwähnt es auch mehrfach. Bei ihren Ausführungen geht die Autorin allerdings nicht chronologisch oder thematisch vor, sondern es fühlte sich eher nach einem assoziativen Lust-und-Laune-Schreibprinzip an. Sie springt viel hin und her, greift hier und mal dort etwas auf und lässt es auch wieder schnell fallen. Dazwischen mischt sie Fakten und Kapitalismuskritik.

Was die Autorin schreibt, was sie kritisiert und die Probleme, die sie hervorhebt, sind alle richtig und wichtig, aber es kam leider ein wenig zu lasch, zu bruchstückhaft, zu gehetzt herüber. Sie greift manchmal zu kurz, geht nicht bis zur Wurzel, führt und erklärt Sachverhalte nicht vollständig aus und ich bin mit einem unzufriedenen Gefühl aus der Lektüre herausgegangen. Auch stilistisch ließ das Ganze hier und da etwas zu wünschen übrig.


Mein Fazit

Ich bin ehrlich: „Anti-Girlboss“ von Nadia Shehadeh hat mich nicht von meinem metaphorischen Bürostuhl gerissen, aber es war auch keine völlige Enttäuschung. Die Idee: super; die Umsetzung: nicht so ganz gelungen.


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