[Rezension] Text

Titel: Text
Original: Tekct
Autor: Dmitry Glukhovsky
Übersetzer: Franziska Zwerg
Verlag: Europa Verlag
Seiten: 368
Erschienen: 2018

Kurzbeschreibung
Nach sieben Jahren kehrt Ilja aus dem Straflager zurück nach Moskau. Getrieben vom Alkohol und den Geistern der Vergangenheit, sucht er nach seinem Peiniger, der ihn unschuldig hinter Gitter brachte. Als er ihn ermordet, nimmt er dessen Smartphone an sich und beginnt auf die eingehenden Nachrichten zu antworten.

Meine Meinung
Die Idee, dass sich jemand mit Hilfe eines Smartphones als jemand anderes ausgibt, ist gut, nicht originell, aber auch nicht zu weit hergeholt. Glukhovsky treibt diesen simplen Ausgangspunkt auf die Spitze, indem er einen ehemaligen Strafgefangenen das Leben eines Drogenfahnders zuerst beenden und dann dessen Leben und Geschäfte durch das Smartphone weiterführen lässt. Ein ganz und gar nicht-smarter Move von der Hauptfigur, muss ich sagen. Der Autor schafft mit dieser Version einen beunruhigenden und packenden Krimi. Er macht aus einer abgedroschenen Idee etwas Neues und brachte auf diese Weise Abwechslung in meinen Lesealltag. Man beachte an dieser Stelle vor allem das Setting, auf welches ich später noch eingehen werde.

Betrachtet man die Handlung, fällt auf, dass nach Außen hin recht wenig passiert. Die Dreh- und Angelpunkte der Geschichte lassen sich an einer Hand abzählen. Im Inneren der Hauptfigur, Ilja, geschieht dafür allerdings umso mehr. Vor allem in dieser Hinsicht ergeben die Andeutungen auf Kafkas Die Verwandlung zu Beginn und zum Ende des Romans einen Sinn und wurden vom Autor geschickt platziert..

In der ersten Hälfte des Romans lernt man Ilja kennen, sein näheres Umfeld, die Gründe für seine Verhaftung und Verurteilung. Nach dem Mord stöbert Ilja in Petja Handy herum und es werden teilweise seitenweise Chatverläufe usw Wort für Wort wiedergegeben. Das sorgt bei der Lektüre für einige Längen. Es tröpfelt alles so dahin und die Handlung kommt irgendwie nicht in Fahrt. Je mehr Ilja sich einmischt, umso stärker werden die Schuldgefühle, die Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen häufen sich. Das Leben von Ilja und Petja, dem getöteten Drogenfahnder, vermischt sich durch das Smartphone, bleibt aber trotzdem getrennt: wie Öl und Wasser. Der Umgang Iljas mit dem Smartphone und der Familie von Petja verrät sehr viel über die Hauptfigur, den Menschen allgemein und lässt in tiefe Abgründe blicken. Heutzutage ist das Smartphone Fluch und Segen zugleich, es ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Dass es für Ilja zum Verhängnis wird, liegt an den Umständen, in denen er sich befindet: mutterseelenallein, betrunken und ohne Orientierung in einer neuen und feindlichen Welt. Er begibt sich in diese Abhängigkeit, ohne überhaupt zu wissen, was dieses Teufelsding in seiner Hand alles vermag (mit den technischen Entwicklungen kennt er sich ja nicht aus, da er sieben Jahre im Straflage von der Außenwelt mehr oder weniger abgeschottet war). Und mal ganz ehrlich, hätte Petja sein Handy ordentlich geschützt, wäre nach der ersten Akkuentladung Schluss gewesen. Es ist aber nicht die Technik an sich, die böse ist (im Roman verteufelt die Hauptfigur diese am laufenden Band), sondern die Art und Weise wie sie verwendet wird (Ilja wird sich seiner Taten allerdings kaum bewusst).

In der zweiten Hälfte geht es bzgl. des Tempos genauso weiter wie in der ersten Hälfte. Erst gegen Ende (auf den letzten 50-70 Seiten) nimmt die Handlung an Fahrt auf und Ilja bekommt die Konsequenzen seiner Handlungen und Einmischungen zu spüren. Das Ende ist bitter, unversöhnlich und belastend. Es fügt sich aber ins Bild und in die restliche Atmosphäre des Romans ein. Das Ende klagt die russische Politik und Gesellschaft, ihre Willkür sowie ihren Machtmissbrauch mit lauter Stimme an.

Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Ich bin mir nicht sicher, ob es an der Übersetzung liegt oder nicht, aber die Sätze lesen sich abgehackt. Es gibt ein paar ausgefallene und kuriose Formulierungen, aber erzähltechnisch konnte ich dem Roman nicht viel abgewinnen. Die Atmosphäre, die der Autors mittels der Sprache und den Beschreibungen von Moskau und der Gesellschaft hervorruft, ist trübe, beklemmend, kalt und düster. Die Verzweiflung der Hauptfigur ist allgegenwärtig und wird von dem Setting widergespiegelt.

Diesen Roman zu besprechen und zu bewerten ist schwer, denn er behandelt viele komplexe Themen: Korruption, Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft, Drogenmissbrauch, Familien- und Beziehungsprobleme, die Frage nach Schuld. In dem Roman kommt das Schlechteste im Menschen zum Vorschein. Glukhovsky betreibt Politik- und Gesellschaftskritik, stellt Moral, Ideale, Prinzipien und Erziehung in Frage. Das alles vor einem düsteren und deprimierenden Moskau.

Mein Fazit
Text beleuchtet die Probleme unserer Smartphone-Kulturund zieht diese ins Extreme, auf dem Hintergrund eines düsteren und beklemmenden Moskaus. Ein abwechslungsreicher Roman mit außergewöhnlichem Setting. Ich würde den Roman allerdings weder als hervorragend oder weltklasse noch als langweilig oder schlecht bewerten. Etwas schräg und er eckt an, ist aber dennoch lesenswert.

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